Was ist Tinnitus eigentlich?
Und warum macht er uns so zu schaffen?
Viele Menschen beschreiben ein Rauschen, Pfeifen, Summen, Brummen oder Klingeln im Ohr. Manchmal ist es leise, manchmal laut. Für manche klingt es wie ein Zischen, für andere wie ein Alarmton. Jeder Tinnitus klingt ein bisschen anders – und fühlt sich auch anders an.
Der Begriff „Tinnitus“ kommt vom lateinischen tinnire und bedeutet: klingeln. Das Geräusch selbst entsteht nicht im Außen – sondern wird im Inneren wahrgenommen. Und zwar nur von der betroffenen Person selbst. In den allermeisten Fällen handelt es sich also um einen sogenannten subjektiven Tinnitus – er ist real spürbar, aber nur „von innen“ hörbar.
Wie häufig ist Tinnitus?
Jeder Mensch nimmt dann und wann mal Ohrgeräusche wahr. Das muss dich nicht sofort beunruhigen. Bei ca 80 % der Betroffenen klingt der Tinnitus innerhalb von ca. zwei Monaten spontan wieder ab .
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Tritt der Tinnitus zum ersten Mal auf, spricht man von einem akuten Tinnitus. Bleibt er bestehen, bezeichnet man ihn nach etwa drei Monaten als chronisch.
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.Weltweit sind ca.740 Millionen Menschen von Tinnitus Betroffen. In Deutschland ist es jeder Zehnte. Allerdings stellt der Tinnitus nicht für jeden Betroffenen ein gravierendes Problem dar.
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Nur rund 2 % fühlen sich stark belastet. Aber für diese Menschen ist es oft eine echte Lebenskrise.
Was dabei hilft: zu verstehen, was Tinnitus ist – und was er nicht ist.
Ist Tinnitus gefährlich?
Die gute Nachricht: Tinnitus ist nicht gefährlich. Er richtet keinen körperlichen Schaden an. Aber er kann unser Wohlbefinden stark beeinträchtigen – vor allem, wenn er mit Stress, Schlafmangel, Angst oder innerer Unruhe einhergeht. Viele Betroffene nehmen ihr Hörvermögen verändert wahr, stellen den Fernseher lauter oder empfinden Gespräche als anstrengend. Das liegt meist nicht am Ohr – sondern daran, wie stark wir auf das Geräusch fokussiert sind.
Was löst Tinnitus aus?
Tinnitus kann ganz unterschiedliche Auslöser haben. Häufige Ursachen sind zum Beispiel:
- Schwerhörigkeit
- anhaltender Stress oder emotionale Überforderung
- Hörsturz, Knall- oder Lärmtrauma
- Infekte wie eine Mittelohrentzündung
- bestimmte Medikamente (z. B. Aspirin, Antibiotika, Chemotherapien)
- Zähneknirschen oder Probleme im Kiefergelenk
- Otosklerose oder andere Hörstörungen
Manchmal lässt sich keine eindeutige Ursache finden – das nennt man dann idiopathisch. Und auch das ist wichtig zu wissen: Tinnitus kann wieder verschwinden – völlig unabhängig davon, wodurch er ausgelöst wurde.
Was passiert da eigentlich im Gehirn?
Tinnitus entsteht nicht im Ohr selbst – sondern im Gehirn. Wenn Hörsinneszellen beschädigt sind, bekommt das Hörzentrum im Gehirn weniger Reize. Und dann beginnt es zu „reorganisieren“ – manchmal leider auf eine Art, die zu einer Überaktivität einzelner Nervenzellen führt. So entsteht das Geräusch.
Unser Gehirn ist jedoch lernfähig. Es kann sich umorganisieren – in beide Richtungen. Genau hier setzt mein Tinnitus-Retraining-Programm an: Wir arbeiten mit der natürlichen Filterfunktion des Gehirns. Denn alles, was unser Gehirn als nicht relevant einstuft, wird ausgeblendet. Wie der Kühlschrank, der irgendwann einfach „weggefiltert“ wird.
Was macht den Tinnitus für manche Menschen so belastend – und andere kaum?
Es ist nicht nur der Ton selbst, der den Leidensdruck bestimmt. Viel entscheidender ist, wie welche Bedeutung wir dem Tinnitus geben – ob er uns Angst macht, ob wir ihn als Bedrohung empfinden. Unsere inneren Glaubensätze, Gefühle und Handlungsweise im Umgang mit dem Tinnitus spielen dabei eine große Rolle.
- Studien zeigen:.
- Rund 1,5 Millionen Menschen sind in Deutschland so von ihrem Tinnitus beeinträchtigt,dass sie therapeutische Hilfe brauchen.
- Rund 2 % erleben eine sogenannte Dekompensation – der Tinnitus wird als kaum erträglich empfunden, oft begleitet von Schlafstörungen, Angst, Niedergeschlagenheit oder dem Gefühl, nicht mehr leistungsfähig zu sein.
Die gute Nachricht: Auch ein dekompensierter Tinnitus kann in eine kompensierte Form zurückgeführt werden. Mit der richtigen, professionellen Unterstützung und einem persönlichen Zugang zum Thema finden viele Menschen zurück in ein Leben, in dem der Ton nicht mehr das Kommando übernimmt.
Und was hat meine Psyche damit zu tun?
Tinnitus kommt selten aus heiterem Himmel. Oft geht er Hand in Hand mit psychischer Belastung – sei es durch Überforderung, emotionale Konflikte, alte Muster oder Dauerstress. Manche berichten auch, dass der Tinnitus genau in einer Phase auftrat, in der „eh schon alles zu viel war“.
Ich sehe Tinnitus daher auch als ein Signal – wie eine rote Ampel oder ein inneres Alarmsystem. Nicht, um uns zu erschrecken. Sondern, um uns einzuladen, innezuhalten, hinzuhören und neu zu justieren.
Was bringt mir das Wissen?
Wissen allein heilt keinen Tinnitus – aber es nimmt die Angst. Und wo keine Angst mehr ist, wird es ruhiger. Genau dort beginnt die eigentliche Veränderung.
Wenn Sie sich verstanden fühlen und lernen, wie Ihr Gehirn funktioniert, welche Rolle Ihre Gedanken spielen – und was Ihnen ganz persönlich guttut – dann beginnt der Ton nach und nach an Bedeutung zu verlieren. Und das Leben wieder an Raum zu gewinnen.

Tinnitus loslassen!
Seit 2024 bin ich auch Autorin. Mein Ratgeber „Tinnitus loslassen – Neueste Erkenntnisse aus der Gehirnforschung umsetzen“
ist im Trias Verlag erschienen. Darin teile ich nicht nur wissenschaftlich fundierte Hintergründe, sondern auch ganz persönliche Einsichten – für Menschen, die endlich wieder durchatmen möchten.
Das Buch ist in allen Buchhandlungen sowie online erhältlich.